Spaß haben, ernsthaft bedacht
Erstellt am: 24.10.2007 - von: nw
Gabriele Klein untersucht das Phänomen Techno
Vibrations sind das wichtigste im Pop. Das weiß jedes Kind, spätestens seit sie 1966 von den Beach Boys gefeiert wurden, als Good Vibrations. Nun also electronic vibration. "Entscheidend is auf dem Platz." Sagt Otto Rehagel, und der ist so deutsch wie Techno oder TEKKNO, um das es in diesem Buch auf über 300 Seiten geht.
Ist Techno wirklich deutsch? Gabriele Klein behauptet es in ihrem Buch, und spätestens, wenn man am Ende ihrer manchmal lehrreichen, selten unterhaltenden und immer tiefsinnigen Untersuchung angekommen ist, wird man ihr beipflichten. Den Inhalt des Buches zu kritisieren steht mir dabei freilich kaum an. Ich gehöre, rein altersmäßig betrachtet, wie die Autorin selber übrigens auch, nicht mehr dazu. Und im Unterschied zu ihr will ich es auch gar nicht. Nichts schlimmer als ein Berufsjugendlicher.
Was mich so berührt bei dieser Lektüre, ist die Gründlichkeit, diese, man muss es einfach so formulieren, deutsche Tiefe, die einer Popmusik-Richtung, meinetwegen auch Jugendkultur, angehängt wird. Und wenn alle einfach nur Spaß haben wollen? So what? Dabei beginnt das Buch viel versprechend, leise polemisch mit Rückblicken auf eigenartige, das Phänomen Techno völlig irrsinnig deutende Pressestimmen wie: "Techno ist Maschinenmusik, und der Raver ist Menschmaschine" (aus dem Spiegel).
Diese Zitate sind natürlich in keiner Weise anders als die ersten Kommentare zu Elvis, den Beatles, David Bowie oder den Sex Pistols. Wie schrieb Diedrich Diedrichsen? "Eine Popmusik-Bewegung ist dann relevant, wenn ihre Gegner behaupten, das alle Stücke gleich klingen." Richtig! Das ist der Ton, den wir wollen. Bei Klein fehlt es an allem, was Pop so klasse macht: Witz, Geschmack, Tempo, Esprit, Glam.
Die Autorin zählt die angeblichen Unterschiede von Techno zu allen bisherigen Popmusik-Bewegungen auf und will so klarmachen, warum die Vertreter der alten Garde (Rocker, Mods, Hippies, Punks et cetera) sich Techno meist mit Befremden nähern. Sie behauptet, das grundsätzlich Neue an Techno sei ein Nichterklären, und wenn das stimmen sollte, entfernt sie sich selber immer weiter vom Thema, indem sie erklärt und erklärt und erklärt. Vielleicht ist es gar nicht möglich, was sie versucht: Gabriele Klein ist Tänzerin und versteht Techno in erster Linie als einen Ausdruck des Körpers durch Tanz, nicht der Worte.
Techno ist die permanente musikalische Momentaufnahme. Musik, die schon im Moment des Entstehens vergangen ist. Um die Bewegung zu verstehen, muss man sich drauf einlassen. Also los. Die Love-Parade ist vorbei, doch irgendwo geht's sicher weiter.
Quelle. Die Zeit