Hannover Hardcore: Interview mit MC Mirender

Erstellt am: 03.07.2005 - von: nw

Seit bereits 12 Jahren ist MC Mirender dem Hardcore verschworen und es ist kein Ende in Sicht. Zusätzlich entdeckte er im Laufe der Jahre den Drum´n Bass Sound für sich und machte seine ersten lyrischen Erfahrungen. Das Resultat sind energiegeladene, ungewöhnlich komplexe Rhymes, wie sie kaum ein anderer Hardcore MC vermag.


Nadja: Mirender, erklär den Technofans in kurzen Worten wer Du bist und was Du machst. Was ist überhaupt ein MC?


Mirender: Mein bürgerlicher Name ist Andreas Krenz, bin 82 geboren, seit gut 2 Jahren Wahl-Hamburger und angehender Ton-Technik Student. Mein allgemeines musikalisches Interesse nimmt den größten Platz in meiner Freizeit ein und am Wochenende steh ich als Hardcore MC am Mic. "MC" steht zunächst mal für "Master of Ceremony" (der Titel stammt aus der Römisch-Katholischen Kirche) und hat seinen Ursprung in der 80er Jahre Hip Hop Szene. Längst etabliert hat sich das MCing allerdings auch in ganz anderen Musik Genres, wie z.B. Garage, Grime, Drum´n Bass etc. und eben auch Hardcore. Aufgabe eines MC´s ist es natürlich in erster Linie die Crowd zum feiern zu animieren. Stimme und Bühnenpräsenz sind da von großer Wichtigkeit. Ein wirklich guter MC besitzt allerdings auch lyrischen Tiefgang und überzeugt durch seine Texte. Daher bin froh meinen Anfang diesbezüglich im Drum ´n Bass und nicht im HC Bereich gemacht zu haben.


Nadja: Warum MC und nicht DJ?


Mirender: Ich hab zu Hause mein DJ-Equipment sowie kistenweise Platten stehen und auch schon einigemale auf Veranstaltungen unter dem Namen Mirender (Hardcore) und Andi Fresse (Hard Techno) aufgelegt. Vielleicht wird sich das zukünftig auch noch vertiefen, aber momentan konzentrier ich mich voll und ganz auf meinen Job am Mic, der mir alles gibt was ich brauche: Spielraum für Kreativität, ein Ventil für Emotionen, reichlich Adrenalinschübe und vermutlich auch einen noch direkteren Bezug zum Publikum als man ihn als DJ hat.


Nadja: Was willst Du dem Publikum mit Deinen Lyrics vermitteln? Siehst Du Dich selbst als Anpeitscher?


Mirender: Meine Lyrics teilen sich grob gesehen in zwei Sparten auf. Bezeichnend für mich sind wohl vor allem die pessimistischen, zerstörerischen Texte, die auf einem entsprechenden Weltbild basieren. Das sind dann meistens auch eher die Sachen die schon in´s Storytelling abschweifen und vielleicht gar nicht immer für jede Party geeignet sind. Auf der anderen Seite sind da aber natürlich auch noch die Verse, die einfach nur zum feiern animieren sollen und sicherlich auch typischer sind für einen MC. Wobei ich natürlich auch hierbei versuche markant zu bleiben.


Nadja: Wieviel hast Du trainiert um auf das Level zu kommen, auf dem Du heute bist?


Mirender: Schwer zu sagen, da ich eigentlich nur phasenweise schreib. Es kommt vor, dass ich wochenlang keinen Stift anfass, dann wiederum einen solch starken kreativen Fluss hab, dass ich zu fast nichts anderem mehr komm. Zum Schreiben sollte man sich nicht unbedingt zwingen. Sicherlich hab ich auch etwas Zeit investiert um mich über verschiedene Schreibtechniken zu informieren, allerdings nicht allzu viel übernommen, da das ganze nicht zu sehr zu einer Wissenschaft ausarten sollte. 1997 hab ich meine ersten Zeilen geschrieben.


Nadja: Was hörst du sonst noch an Musik und was magst du überhaupt nicht ???


Mirender: Da bin ich nicht sehr festgefahren und immer open-minded. Es gibt in sämtlichen Sparten Gutes an Musik. Wichtig ist, dass sie ehrlich klingt, von Herzen kommt und nicht wegen Erfolgsaussichten einem bestimmten Schema hinterher rennt. Neben Hardcore hör ich viel Drum n Bass und Techno. Ebenso verfallen bin ich mit Trip Hop, Ambient und sogar Jazz der düsteren Art allerdings auch den wirklich atmosphärischen Sounds. Das ist die perfekte Musik um Besinnung zu finden. Dann wiederum kann aggressiver Metal auch sehr gut sein. Das einzige was ich wirklich überhaupt nicht ausstehen kann ist dieser neumodische R´nB Krams, den man pausenlos hört wenn man das Radio, MTV oder Viva einschaltet. Zur Hölle damit!


Nadja: Wie ist das für Dich als MC, wenn Du auf die Bühne gehst, verspürst Du Lampenfieber oder machst Du einfach nur Deinen Job?


Mirender: Klar, etwas Lampenfieber hatte ich schon mal, nämlich als ich das erste Mal auf einer wirklich großen Bühne stand. Das war eine Live Act Performance mit Slave Friese und unsere damalige Tänzerin wollte zu allem Überfluss auch noch, das ich mit in ihre Choreographien einwirke, was ich natürlich nicht getan habe. Und das erste Auswärtsspiel auf der holländischen Hellraiser mit über 8.500 Besuchern war ebenfalls etwas nervenaufreibend, letztendlich aber eine sehr koole Sache. Ansonsten sind die Zeiten mit Lampenfieber aber vorbei, was nicht bedeutet, dass mir die Euphorie verloren gegangen

Nadja: Empfindest Du den Rummel um Dich herum nicht manchmal als zu viel und lästig, wenn Du z.B. Autogramme schreiben musst?


Mirender: Lästig nicht, nein. Als ich meine ersten Autogramme schreiben musste nach einem Gig war ich allerdings ganz schön überrascht. In meinen Augen gibt es keine Stars in einer Szene wie dieser. Aber natürlich verurteile ich niemanden der das anders sieht und bin zu allen Schandtaten bereit. Solange man nicht von mir erwartet das ich mir jedes Gesicht, geschweige denn jeden Namen merke, ist alles in Ordnung.


Nadja: Zu Deiner Crew – wie sind Deine privaten Verhältnisse zu Hannover Hardcore?


Mirender: Hannover Hardcore vereinigt alle Zutaten die man für ein Gericht menschlichen Wahnsinns braucht. Längst mehr als nur musikalisch Gleichgesinnte und hemmungslose Saufkumpanen schätze sie alle bis aufs Letzte. Einige sind zu sehr guten Freunden geworden mit denen ich über alles rede. Big up an meine Jungs !


Nadja: Dick Rules ist als MC durch seine Zusammenarbeit mit Marc Acardipane bekannt geworden. Mittlerweile hat er sein Soloprojekt laufen. Wie sieht es mit einem Live-Battle aus? Dick Rules vs. MC Mirender – bist Du dabei?


Mirender: Du bist auf dem neusten Stand wie ich sehe, denn Michael hat mich tatsächlich zu einem Duell herausgefordert. Klar bin ich dabei. Wenn man ihn live sieht, dann versteht man wohl auch was ich vorhin mit einer gelungenen Bühnenpräsenz meinte.


Nadja: Was denkst Du, wo wird die Hardcore-Szene in 5 Jahren stehen?


Mirender: 5 Jahre sind eine Menge und Hardcore ist schnelllebig. Wenn ich zurück blicke auf die letzten 12 Jahre, seh ich wie viel sich getan hat und muss feststellen, dass ich mich, was Musik aus der Vergangenheit angeht, eigentlich noch am besten mit dem Oldstyle identifizieren kann, welcher zwar sicherlich eine große Ironie in sich trägt und somit längst nicht immer seriös klingt, dennoch aber zweifelsohne härter ist als fast alles was danach kam. Und Hardcore sollte meiner Meinung nach nun mal brutal, dreckig und bestenfalls düster sein. Die darauf folgenden Happy Zeiten, in denen man sich problemlos Gabber Cd´s an holländischen Tankstellen kaufen konnte, ist längst gut überstanden und auch der Newstyle Welle nach dem heftigen Overkill trauer ich keineswegs nach. Gott sei Dank gab es aber auch in solchen Zeiten immer ein paar abtrünnige Produzenten die ihr eigenes Ding gemacht haben, so das ich mich nicht komplett dem Hardcore entziehen musste. Und das zahlt sich jetzt aus, denn seit etwa 2-3 Jahren geht es musikalisch wieder ordentlich Berg auf. Die Leute scheinen offener geworden zu sein für neue Sounds und das ganze geht mehr und mehr wieder in die härtere Richtung. Viele der heutigen Releases haben starken technoiden Einfluss, klingen teilweise sehr düster und futuristisch. Es verkaufen sich haufenweise Platten die vor ein paar Jahren niemals Anklang bei der breiten Masse gefunden hätten und zusätzlich werden musikalische Barrieren derart gebrochen, so das man jetzt auch Hardcore Tracks in den Sets vieler Techno DJ´s wieder findet, während einige Hardcore DJ´s sich am Output der Techno Fraktion bedienen. Die Brücken sind gebaut und wenn sie stabil genug sind, könnte man annehmen das die Hardcore Techno Szene (ich spreche da bewusst von keiner Gabber Szene) zukünftig entscheidend wachsen wird. Auf der anderen Seite gibt es da allerdings noch jede Menge Gabbers die mit dieser Art Musik überhaupt nichts anfangen können, sondern nach wie vor auf melodischen Partysound (welcher nicht immer schlecht sein muss) schwören und da sicherlich noch ein Wörtchen mitzureden haben. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass sich unsere jetzige Szene früher oder später komplett aufsplittern wird. Positiv anzumerken ist noch, dass die Terror und Speedcore Anhängerschaft derzeit zu wachsen scheint. Wir werden sehen was die Zukunft bringt, aber eines ist sicher - harte Zeiten kommen auf uns zu.


Nadja: Wie siehst Du die Zukunft mit DJ Mortifer? Wann wird endlich ein gemeinsamer Sampler in den Regalen stehen und was wird uns erwarten?


Mirender: Florian ist der beste Partner den ich mir vorstellen kann. Er besitzt ein exzellentes Musikverständnis, hat endlos viel Herzblut für das Game und wir teilen gemeinsame Visionen und Ansichten was die Szene betrifft. Somit arbeiten wir nicht nur musikalisch, sondern auch geistig als Team.
Zu den Eigenproduktionen: zugegebenermaßen haben wir das erste Release bei weitem zu früh angekündigt, denn letztendlich liefen verschiedene Dinge nicht so glatt wie wir uns das vorgestellt haben. Fakt ist, dass die Tracks für die erste Platte komplett fertig sind, mit denen Mortifer vorerst alleine in den Startlöchern steht. Die zweite Auskopplung zusammen mit mir wird sehr vocallastig. Alles andere werdet ihr dann sehen.


Nadja: Welchen Stellenwert hat Deiner Meinung nach Hardcore in Deutschland?


Mirender: Das ist regionalabhängig. Die Szene im Ruhrpott ist mit Abstand die größte. Dort gibt es Partys mit bis zu 5.000 Besuchern und das ganze lehnt sehr an den holländischen Flair an, sowohl vom musikalischen her, als auch vom Erscheinungsbild der Leute. Dort hat sich Hardcore definitiv einen Namen gemacht, teilweise sogar durch die Presse.
Der Rest von Deutschland fährt ein anderes Level. Die Partys sind in der Regel bei weitem nicht so groß, finden in kleinen Underground Clubs statt oder in Kellergewölben und Bunkern. Die Musik ist meist weniger Mainstream und die Leute insgesamt alternativer. Eine Stadt wie Hamburg z.B. hat aber mittlerweile dank beachtlicher Anhängerschaft das Potential Größeres zu erschaffen, woran derzeit auch fleißig gearbeitet wird. Was Deutschland aber allgemein fehlt um sich im weltweiten Hardcore System noch mehr Respekt zu verschaffen sind Eigenproduktionen. Auch wenn immerhin eine handvoll Produzenten den Durchbruch geschafft haben, sind erfolgreiche Releases leider nach wie vor Mangelware.


Nadja: Wie kam es eigentlich zu Deinem Künstlernamen? Welche Bedeutung steckt dahinter?


Mirender: "Mirender" klingt in meinen Ohren in erster Linie elegant und wirkt schillernd, doch der Name trägt eine Maske. Der Ausdruck betitelt das Massacre zweier Amerikaner, die aus reiner Lust am töten von Dorf zu Dorf gezogen sind um ihre Blutspur zu hinterlassen. Das ist die Bedeutung für "Mirender".

Heißt das etwa, ich würde mich mit einem Amokläufer identifizieren ??? Nein, definitiv nicht. Es geht mir alleinig um den Kontrast aus Reinheit und abgrundtiefer Bösartigkeit, welcher mich grundsätzlich fasziniert. Ich könnte auch einen Namen tragen der auf Anhieb düster und brutal wirkt, genauso wie einen der einfach nur positiv und vertrauenserweckend klingt, aber das wäre mir sowohl als auch zu einseitig. Es ist die Kombination aus beidem, die wir alle in uns tragen und gleichzeitig als Menschen komplett macht.


Nadja: Hat Mirender] Vorbilder und Idole? Durch wen lässt Du Dich inspirieren?


Mirender: Nein, ich hab keine Vorbilder und lass mich auch ungern von Personen inspirieren. Aber natürlich gibt es jede Menge Künstler die mich sehr beeindrucken. Zu viele um sie zu nennen.


Nadja: An welchen Gig erinnerst Du Dich besonders gerne?


Mirender: Da gibt es ebenfalls so einige. Sicherlich die anfänglichen, wo man erstmalig auf positive Resonanz gestoßen ist. Ansonsten wohl der Hellraiser Gig in Zuidlaren mit den wahnsinnigen Holländern, die plötzlich diese riesige Bühne gestürmt haben und ordentlich abgegangen sind. Ja, das war kool.


Nadja: In welchen Momenten hast Du Deine besten Ideen für neue Lyrics?


Mirender: Definitiv direkt nach einer Party. Da ist man noch komplett in seinem Element und alles geht wie von selbst. Ansonsten nach einschneidenden Erlebnissen im Alltag - egal ob positiv oder negativ. Große Emotionen erwecken grundsätzlich Kreativität in mir. Am liebsten schreibe ich nachts.


Nadja: Fließen in Deine Texte politische Tagesthemen ein?


Mirender: Nur indirekt. Ich halte nichts von in Musik verpackte Politik, davon gibt es ohnehin schon genug. Tägliche Nachrichten aus aller Welt prägen natürlich zusätzlich meine Weltanschauung und letztendlich auch meinen lyrischen Charakter. Ich behalte mir aber vor mich in dieser Hinsicht nur im übertragenen Sinne auszudrücken und konkrete Ereignisse lediglich in einem utopischen Spiegelbild wiederzugeben. So kommt es vor, dass ich die Erde als eine einzige Hölle darstelle und Menschen durch alles zerstörende, seelenlose Cyborgs ersetze.


Nadja: Wie sieht Deine Zusammenarbeit mit SlaveFriese aus?


Mirender: Robert ist neben Mortifer der zweite Mann für den ich exklusiv am Mic steh. Er ist derzeit deutschlands erfolgreichster Hardcore Produzent und ich schätze es an seiner Seite zu performen. Zumal ich für gewöhnlich nur düstere Hardcore Sets supporte, sind die Gigs mit Slave immer etwas anderes und haben mich eine weitere Erfahrung gelehrt. Dieses Jahr steht unter anderem noch ein großartiges Auswärtsspiel für uns an.


Nadja: Wann hast Du zum ersten Mal realisiert, dass Dein Herz weh tut?


Mirender: Wahrscheinlich viel zu früh...


Nadja: Dein Markenzeichen ist Deine tiefschwarze Brille! Die Leute wollen Dich doch sicherlich oft ohne sehen…?


Mirender: Ja, kommt vor. Es gingen lustigerweise schon Gerüchte um, ich würde die Brille tragen, weil meine Augen zerstört wären. Ich mach mir meinen Spaß draus und lass diese Leute in ihrem Glauben. Eigentlich ist aber alles in bester Ordnung bei mir.


Nadja: Dein größter Wunsch?


Mirender: Einmal quer durchs Universum brettern, vorbei an hundert Milliarden Sonnen, zwischendurch einigen Fremdlingen begegnen und mit einem ganz neuen Bewusstsein die Erde ansteuern. Damit der Tag perfekt ist, würde ich ihn wohl mit einem doppelten Cheeseburger abschließen.


Nadja: Ich danke Dir für dieses ausführliche Interview.


Mirender: Gerne